Vereinigung für die Büsinger Bergkirche

Das Totenmännlein

Lange Zeit war das Innere der Bergkirche eigentlich schmucklos, ja nüchtern. Erst die Fres­kenrestaurierung und die künstlerische Gestaltung des Ostfensters brachten wieder etwas Zierde in den Raum. Zuvor fielen nur die an der Nordwand neben dem «Gotischen Fenster» eingelassenen Epitaphien (Grabtafeln) auf. Wer aufmerksam hinsieht, bemerkt auf der einen im oberen Rand eine eigenartige Figur. Eine menschliche Gestalt liegt hingestreckt, stützt den Kopf mit der Hand, während die emporgehobene Linke eine Sanduhr hält.

Das Spruchband, das sich darüber hinzieht, enthält die lateinischen Worte: «Memento mori». zu deutsch: «Bedenke, dass du sterben musst!» Dieses Steinmännlein wird allgemein das «Totenmännlein» genannt, und man erzählte früher bei Gelegenheit mit verhaltener Stimme eine schauerliche Begebenheit davon, wie das merkwürdige Männlein in die Kirche kam: Ein Büsinger Junker, Gerichtsherr der Gemeinde, ritt an einem schwülen Hochsommertag mit Gefolge, von der Jagd erhitzt, über den Kirchhügel zurück. Um die Kühle zu genießen, kehrten sie in der Bergkirche ein, wo ihnen die dreizehn Sitze im Chor bequem Ruheplatz boten. Im Übermut wettete der leichtfertige Junker nun mit den Jagdfreunden, er vermöge mit klingender Münze dem Tod ein Schnippchen zu schlagen und ihm wohl zehn Lebensjahre abzufuggern. Um diesen herauszufordern, warf er hohnlachend eine Handvoll Geldstücke in das große steinerne Taufbecken. Unheimlich war das Klirren des Metalls im düsteren Kirchenraum anzuhören. Doch kaum war es verstummt, fuhr ein greller Blitzstrahl durchs Nordfenster und streckte die dreizehn Jäger zu Boden. Während sich die zwölf Begleiter nach kurzer Besinnungslosigkeit wieder zu erheben vermochten, war der Junker tödlich getroffen. Die Überlebenden mussten sich beeilen, den Toten aus der Kirche zu tragen; der Strahl hatte gezündet, das Gotteshaus stand in hellen Flammen. Die zwölf Freunde, von dem schrecklichen Ereignis zutiefst erschüttert, ließen dem toten Gerichtsherrn hernach die Grabplatte hauen.

Zur Warnung für alle, die mit dem Tod und Leben ihren Spott treiben möchten, musste der Steinhauer das Totenmännlein mit dem ernsten Spruch darüber eingraben. Das Fenster, durch das der tötende Strahl gefahren war, ließen sie im Stile ihrer Zeit erneuern, weshalb es das «Gotische Fenster» genannt wird. Es will auch gar nicht so recht zu den übrigen Rundbogen passen. Wahrscheinlich wurden auch die dreizehn Sitze des Chores damals wieder hergestellt; sie sind heute noch vorhanden.